Essex-Wrack-Geschichte

Am 20. November 1820 wurde die Mannschaft des Walfängers Essex Zeuge eines unerwarteten Ereignisses, das die Beziehung zwischen Mensch und Natur nachhaltig prägen sollte. Der Angriff eines Pottwals auf ihr Schiff markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des Walfangs und wirft Fragen auf, die bis heute nachklingen.

Angriff des Pottwals

Am 20. November 1820 erlebte die Mannschaft des Walfängers Essex einen unerwarteten Angriff eines Pottwals. Dieses aggressive Verhalten verstößt gegen das normale Muster dieser sonst eher zurückhaltenden Meeresgiganten. Verschiedene Theorien versuchen, dieses rätselhafte Verhalten zu erklären.

Eine Theorie schlägt vor, dass der Lärm und die Aktivitäten während des Walfangs den Wal irritiert oder bedroht haben könnten. Forscher spekulieren, dass das Hämmern am Rumpf und die Schreie der Mannschaft den Wal zu der Annahme veranlassen könnten, einem Rivalen oder einer Bedrohung gegenüberzustehen. Die Tatsache, dass Wale höchst kommunikative Lebewesen sind, die auf Schall zur Navigation und Kommunikation angewiesen sind, stützt diese Hypothese.

Eine weitere Überlegung ist der Zustand des Wals selbst. Es könnte sein, dass der Wal krank oder verletzt war und dadurch unvorhersehbares Verhalten zeigte. In einigen Fällen könnten Schmerzen oder Verwirrung zu untypischen Aggressionen führen.

Unter psychologischen Gesichtspunkten könnte Stress oder Panik eine Rolle gespielt haben. Pottwale sind für ihre sozialen Bindungen und komplexen Interaktionen bekannt. Der Stress durch die Jagd und das Eindringen in seinen Lebensraum könnte den Wal überfordert und zu einer extremen Reaktion veranlasst haben.

Zusätzlich könnte das Territorialverhalten in Betracht gezogen werden. Während Pottwale normalerweise nicht als territorial gelten, könnten ungewöhnliche Umstände wie Paarungszeit oder das Vorhandensein eines Kalbs sein Verhalten beeinflusst haben. Die Präsenz des Walfängers in seinen Jagdgründen könnte als Eindringen empfunden worden sein.

Insgesamt bleibt die wirkliche Ursache für den Angriff des Wals auf die Essex spekulativ, aber diese Theorien bieten plausible Erklärungen für ein Ereignis, das als einer der dramatischsten Zwischenfälle in der Geschichte des Walfangs gilt. Es hebt auch die potenziell verheerende Kollision zwischen Mensch und Natur hervor und bietet Einblicke in die Empfindungen und das Verhalten der Meeresbewohner.

Ein aggressiver Pottwal schwimmt auf ein Walfangschiff zu

Überlebenskampf der Crew

Nach dem Untergang der Essex fanden sich die überlebenden Crewmitglieder in einer nahezu ausweglosen Situation wieder. Ausgestattet mit nur wenig Vorräten und in drei kleinen Rettungsbooten, sahen sie sich den Weiten des Pazifischen Ozeans gegenüber. Ihre Reise zu rettenden Ufern war geprägt von einer Reihe von Herausforderungen, auf die sie kaum vorbereitet waren.

In der zunächst undurchsichtigen Lage waren Orientierung und Navigation zentrale Faktoren ihres Überlebens. Ohne moderne Hilfsmittel waren die Matrosen auf rudimentäre Navigationskenntnisse und improvisierte Werkzeuge angewiesen. Oftmals bestimmten die Sterne ihren groben Kurs, während das Tageslicht nur wenig Linderung ihrer Unsicherheit brachte.

Die extremen Maßnahmen, die die Crew ergreifen musste, zeigen sich in der Entscheidung zum Kannibalismus, eine Entscheidung, die das letzte Mittel in tiefer Verzweiflung darstellte. Anfangs teilten sich die Matrosen das wenige vorhandene Zwieback und versuchten, Regenwasser zu sammeln. Doch als die Vorräte zur Neige gingen, verstarben mehrere Crewmitglieder an den Folgen von Hunger und Erschöpfung. In einem Akt der Selbsterhaltung sahen sich die Überlebenden gezwungen, die Leichen ihrer verstorbenen Kameraden zu verzehren.

Diese Ereignisse formten nicht nur die Überlebensstrategie der verzweifelten Seeleute, sondern forderten auch ihren emotionalen und moralischen Tribut. Die Psychologie des Überlebens unter extremen Bedingungen brachte Qualen mit sich, die weit über das Physische hinausgingen. Konfrontiert mit der eigenen Sterblichkeit und der von Kameraden sowie geplagt von moralischen Dilemmata, navigierten die Männer durch eine seelische Dunkelheit, die ebenso bedrohlich war wie der leere Horizont des Ozeans selbst.

Es ist diese Vermischung aus physischer Notwendigkeit und psychologischem Ringen, die den Überlebenskampf der Essex-Crew zu einer der eindrücklichsten Episoden der maritimen Geschichte macht. In ihren verzweifelten Bemühungen spiegelt sich der urmenschliche Kampf um Fortbestand und Moral, irgendwo verloren im Pazifik – ein Echo damaliger Seefahrer, das selbst heute noch nachwirkt.

Erschöpfte Überlebende der Essex in kleinen Rettungsbooten treiben im Pazifischen Ozean

Kulturelle und historische Auswirkungen

Das tragische Schicksal der Essex und ihrer Besatzung hinterließ nicht nur in den Geschichtsbüchern Spuren, sondern auch in der Welt der Literatur. Eines der bemerkenswertesten Werke, das durch das Ereignis inspiriert wurde, ist Herman Melvilles Roman „Moby Dick". Der Angriff des Wals und die darauffolgenden Entscheidungen der Mannschaft bildeten eine Grundlage für Melvilles Erzählung eines besessenen Kapitäns namens Ahab und seiner Jagd auf den weißen Wal. Dieses Werk, oft als Magnum Opus der amerikanischen Literatur angesehen, wirft durch die metaphorische Linse des Romans Fragen auf über Obsession, Moral und den menschlichen Kampf gegen die Naturgewalten.

Nicht weniger tiefgreifend sind die Auswirkungen dieses Unglücks auf die Walfangindustrie selbst. Das tragische Ende der Essex führte dazu, dass Sicherheitsmaßnahmen auf den Schiffen verbessert und strenger gehandhabt wurden. Es veränderte auch die öffentliche Wahrnehmung von Walen und der Walfangindustrie. Wale wurden nicht länger nur als Ressource betrachtet, sondern begannen, als fühlende Mitlebewohner des Planeten ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit zu schärfen.

Auf einer breiteren kulturellen Ebene beleuchtete der Vorfall das Szenario des menschlichen Überlebens unter extremsten Bedingungen. Die gesellschaftliche Resonanz auf die Kannibalisierung als eine Tat des Überlebens zwang das Publikum, sich mit komplexen Fragen des menschlichen Verhaltens in Situationen extremster Not auseinanderzusetzen. Dies veränderte die Perspektive auf Seefahrer und ihre Erlebnisse und prägte die Literatur sowie das Theater, hierbei den Stellenwert des Meeres und das Wesen des Menschen reflektierend.

Diese kulturellen und historischen Echos verdeutlichen das Gewicht einschneidender historischer Ereignisse wie dem Untergang der Essex. Sie betonen eine Verbindung von Industrie und Ethik sowie die Art, wie einzelne Ereignisse ins kollektive Gedächtnis einer Kultur eingehen können, gefiltert durch die Linsen von Literatur, Kunst und öffentlicher Wahrnehmung. In diesen Erzählungen bleibt das Vermächtnis der Essex lebendig, Mahnung und Lehrstück zugleich und weiterhin relevant in Diskussionen über menschliche Fehler, die Überwindung von Katastrophen und überdauernde Narben in der Weltgeschichte.

Das Buchcover von Herman Melvilles Roman 'Moby Dick'

Die Geschichte der Essex ist mehr als nur ein dramatisches Kapitel in der maritimen Historie; sie ist ein Spiegel der menschlichen Natur unter extremen Bedingungen und ein Zeugnis dafür, wie tiefgreifend Ereignisse das kollektive Bewusstsein prägen können. Der Vorfall beleuchtet die dunklen Seiten des menschlichen Überlebenswillens und hinterlässt eine Mahnung, die uns auch heute noch zur Vorsicht mahnt.

  1. Philbrick N. In the Heart of the Sea: The Tragedy of the Whaleship Essex. New York, NY: Viking; 2000.
  2. Melville H. Moby-Dick; or, The Whale. New York, NY: Harper & Brothers; 1851.
  3. Dolin EJ. Leviathan: The History of Whaling in America. New York, NY: W. W. Norton & Company; 2007.

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